Wer sich um einen pflegebedürftigen Angehörigen kümmert, weiß wie viel Kraft dies kosten kann und dass es sich in der Regel um einen Fulltime-Job handelt. Dies ist auch ein Ergebnis einer Studie des Sozialverbandes VdK Deutschland e. V., die am 9. Mai 2022 veröffentlicht wurde. Demnach sind mehr als ein Drittel der pflegenden Angehörigen mit ihrer Situation überlastet. Das ergab eine Online-Befragung unter 56.000 Menschen. Ein unbürokratischer, einheitlicher und schneller Zugang zu Entlastungsleistungen ist dringend nötig.
Komplizierte Antragstellung belastet pflegende Angehörige
4,1 Millionen Menschen in Deutschland haben einen Pflegegrad, gelten also als pflegebedürftig. Davon leben 3,3 Millionen zuhause und werden von Angehörigen oder Freunden versorgt, zum Teil mit Unterstützung durch Pflegedienste. Pflegebedürftige haben Anspruch auf eine Vielzahl an finanziellen Leistungen, die jedoch oft an bürokratische Hürden geknüpft sind. „In unserer Pflegeberatung rufen täglich verzweifelte Angehörige an, die an einer zu komplizierten Antragstellung scheitern. Sie sind ohnehin schon in einer belastenden Situation und müssen sich dann noch mit diesem kräftezehrenden Behördenkram herumschlagen“, erzählt Juliane Bohl, Mitglied im Vorstand bei Hausengel. Finanziell verfallen so 12 Milliarden Euro jährlich. In der Studie haben Wissenschaftler:innen der Hochschule Osnabrück errechnet, dass je nach Art der Pflegeleistungen zwischen 62 und 93 Prozent nicht abgerufen werden. „Wenn sogenannte Entlastungsleistungen mehr Arbeit als Nutzen verursachen, dann wundert es mich nicht, wenn sie ungenutzt bleiben“, so Bohl weiter.
Einheitliche Linie entlastet pflegende Angehörige
Problematisch ist, dass es keine bundeseinheitliche Linie bei der Erstattung der Entlastungsleistungen gibt. Jedes Bundesland hat andere Vorgaben. Wer soll da noch den Überblick behalten? „Das beste Beispiel dafür ist die Nutzung des sogenannten Entlastungsbetrages von monatlich 125 Euro. Unsere Kund:innen können theoretisch diesen Entlastungsbetrag nutzen um die Kosten für unsere Vermittlungstätigkeit erstattet zu bekommen. Leider ist es in der Praxis so, dass diese Erstattung zu oft willkürlich erscheint. Je nach Bundesland, Pflegekasse oder sogar Sachbearbeiter:in. Es darf nicht sein, dass unsere Familien damit Ärger und Aufwand haben, dass es in einem Monat funktioniert und im nächsten wieder nicht.“, ärgert sich Bohl.
„Wir fordern einen einheitlichen und nachvollziehbaren Prozess, der bundesweit gilt. Gerne nach dem Vorbild zur Anerkennung von Dienstleistungen wie derzeit in Nordrhein-Westfalen “, so Bohl nachdrücklich. Hausengel begrüßt außerdem die Idee eines flexibel einsetzbaren Entlastungsbudgets, wie es die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Claudia Moll (SPD), vorschlägt. „Beide Maßnahmen würden in unseren Augen zu einer spürbaren Entlastung führen.“, meint Bohl.