„Die Pflege eines geliebten Menschen ist wie ein Marathon, bei dem man nicht weiß, wie lange man laufen muss. Man läuft, weil man muss, weil man liebt, aber irgendwann merkt man, dass man auch für sich selbst einen Weg finden muss, um durchzuhalten.“ Petras „Marathon“ begann schleichend. Die passionierte Lehrerin lebt in am Rande einer Kleinstadt, ihre Mutter Ingrid, 82 Jahre alt, im nächstgelegenen Dorf. Sie sehen sich regelmäßig. Irgendwann merkt Petra, dass sich ihre Mutter verändert. „Es waren erst kleine Dinge, die mir auffielen,“ erzählt Petra. „Meine Mutter vergaß häufiger ihre Termine, ließ das Essen länger auf dem Herd oder suchte stundenlang nach ihrem Haustürschlüssel.“
Was Petra zunächst als normale Alterserscheinungen abtat, entpuppte sich bald als mehr. Ingrid litt an beginnender Demenz und hatte durch ihre Arthritis zunehmend Schwierigkeiten, alltägliche Aufgaben zu bewältigen. Petra begann, ihre Mutter nun öfter zu besuchen, half ihr im Haushalt, erledigte Einkäufe und stellte sicher, dass sie ihre Medikamente nahm. „Es wurde nach und nach mehr, fast unbemerkt. Ich habe es einfach getan, weil ich dachte, so macht man das eben. Natürlich hat ab und zu die Nachbarin geholfen, aber meine Mutter hat vieles von mir erwartet – und ich habe es übernommen, ohne groß darüber nachzudenken.“
Pflegende Angehörige sind keine Seltenheit
In Deutschland sind etwa 5 Millionen Menschen pflegebedürftig. Ein Großteil dieser Pflegebedürftigen, rund 84 Prozent, wird zu Hause versorgt. Von diesen Menschen werden etwa drei Viertel hauptsächlich von Angehörigen gepflegt, was die enorme Bedeutung von pflegenden Angehörigen im deutschen Pflegesystem unterstreicht (Quelle: Statistisches Bundesamt). Diese „stillen Helden“ übernehmen tagtäglich Aufgaben, die emotional und körperlich herausfordernd sind, während sie oft zusätzlich noch berufliche Verpflichtungen erfüllen müssen – eine enorme Verantwortung.
„Es gab Wochen, da fühlte es sich an, als hätte ich zwei Vollzeitjobs,“ sagt Petra. Die Arbeit als Lehrerin forderte sie, aber die Pflege ihrer Mutter wurde zunehmend zur Belastung. „Ich war oft müde und hatte das Gefühl, nicht genug für meine Mutter tun zu können, egal wie sehr ich mich bemühte.“ Viele pflegende Angehörige in Deutschland erleben Ähnliches.
Eigene Grenzen achten und Hilfe in Anspruch nehmen
„Wer es nicht selbst erlebt hat, kann kaum nachvollziehen, wie es ist, einen geliebten Menschen mit Demenz zu begleiten. Ich habe viele gut gemeinte Ratschläge bekommen, aber letztlich musste ich selbst erst an den Punkt kommen, an dem ich völlig erschöpft war, um zu erkennen: So kann es nicht weitergehen. Ich rate jedem, der in eine ähnliche Situation gerät, frühzeitig Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es ist nahezu unmöglich, das alleine zu schaffen.“, resümiert Petra. Sie sucht nach Unterstützung und stieß auf Hausengel. „Die Entscheidung, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, fiel mir nicht leicht,“ erzählt sie. „Ich hatte erst Bedenken, jemanden von außen dazu zu holen. Eine Betreuungskraft mit einzubeziehen in unsere routinierten Abläufe und überhaupt. Letztlich war es die richtige Entscheidung und sogar ein richtiger Glücksgriff!“.
Ein Netzwerk, das entlastet
Diese Entlastung gab Petra den Raum, wieder durchzuatmen und sich auf die schönen Momente mit ihrer Mutter zu konzentrieren, statt sich nur noch als Pflegerin zu fühlen. „Ich bin dankbar für die Unterstützung und weiß auch, dass ich großes Glück habe. Nicht jeder hat die Möglichkeit eine 24h-Betreuung in Anspruch zu nehmen. Mit der Zeit habe ich uns ein „Pflege-System“ aufgebaut: Pflegedienst, Betreuungskraft und ich machen den Großteil, die Nachbarin schaut aber auch mal vorbei – zusammen geht’s. Auch wenn ich alles manage und zusammenhalte.“, erzählt Petra. Ihre wertvollste Lektion: „Mein Blick aufs Leben hat sich durch die Pflege und Begleitung meiner Mutter verändert – ich habe gelernt, den Moment mehr zu schätzen und meine Prioritäten neu zu ordnen. Es geht nicht nur darum, durchzuhalten, sondern auch darum, bewusst Pausen einzulegen und die kleinen, wertvollen Augenblicke zu genießen. Letztlich geht es ganz viel ums Loslassen.“
Mehr Anerkennung für pflegende Angehörige
Petra’s Geschichte zeigt, dass die Herausforderungen der Pflege nicht alleine bewältigt werden können – und auch nicht sollten. Es ist an der Zeit, die „unsichtbare Arbeit“ von Millionen pflegender Angehöriger in den Mittelpunkt zu rücken und sicherzustellen, dass sie die Unterstützung und Wertschätzung erhalten, die sie verdienen. Leider ist es häufig noch so, dass die Pflege eines geliebten Menschen als private Aufgabe betrachtet wird, der keine öffentliche Anerkennung zuteil wird – eine Haltung, die dringend überdacht werden muss.
Sehr empfehlenswert zu diesem Thema zu lesen ist das „Manifest für eine menschliche Pflege“ von Brigitte Bührlen von WIR! Stiftung Pflegender Angehöriger. Hier lesen: Zum Manifest.